Einleitung

In der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs verfolgte die Schweiz in erster Linie das Ziel, ihre Unabhängigkeit zu bewahren und nicht in das Kampfgeschehen hineingezogen zu werden.

Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

Um die Gefahr einer Invasion zu minimieren, erhöhte die Schweiz das Verteidigungsbudget, intensivierte die Ausbildung der Soldaten und traf bauliche Massnahmen zur Landesverteidigung.


Im März 1939 wurden Reservisten zum Schutz der Grenze zu Deutschland aufgeboten. Die Bevölkerung wurde dazu aufgefordert, Notvorrat zu lagern und Schutzräume für den Fall von Luftangriffen einzurichten. Weiter wurde in der sogenannten "Anbauschlacht" jedes verfügbare Stück Land in Ackerland (vorwiegend für den Anbau von Kartoffeln) verwandelt, um die Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen.


Henri Guisan wurde zum Oberkommandierenden der Schweizer Armee ernannt. Er erhielt den Grad eines Generals, der in der Schweiz nur im Kriegsfall verliehen wird.
Es gab Pläne, in den Alpen so genannte "Réduits" zu errichten von denen aus der Widerstand gegen die Invasoren organisiert worden wäre. Mit dieser Taktik erhoffte sich die Schweizer Regierung, im Falle einer Besetzung durch die Nazis wenigstens das Gebiet in den Alpen verteidigen zu können. Die Bedrohung war während des ganzen Kriegs allgegenwärtig: Österreich war bereits 1938 von Nazi-Deutschland annektiert worden, und nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich war die Schweiz vollständig von Deutschland und dessen Alliierten eingekreist.


Als neutraler Staat handelte die Schweiz nach der Haager Konvention von 1907, die neutralen Staaten den freien Handel mit allen Kriegsparteien erlaubte – auch den Export von Waffen. Bis heute sind in vielen Gebieten Betonblöcke, die errichtet wurden, um die deutschen Panzer am Eindringen zu hindern, zu sehen. Diese Panzersperren werden auch "Tobleronen" genannt, da sie aussehen wie die wohl berühmteste Schweizer Schokolade gleichen Namens.

Schweizer Bevölkerung und der Zweite Weltkrieg

Das Schweizer Radio sendete wöchentlich Programme von Jean-Rodolphe von Salis (auf Deutsch) und René Payot (auf Französisch), die auch im besetzten Europa gehört wurden und einen wichtigen Einfluss auf die Meinungsbildung hatten. Die meisten Schweizer Zeitungen – auch die deutschsprachigen – sympathisierten mit den Alliierten. Viele kirchliche und andere Gruppierungen unterstützten, so gut sie konnten, Flüchtlinge aus Nazideutschland und den besetzten Ländern.


Einer der bekanntesten Flüchtlingshelfer war der St. Galler Polizeidirektor Paul Grüninger, der 3’000 jüdischen Flüchtlingen den Aufenthalt in der Schweiz ermöglichte. Grüninger wurde deswegen verhaftet und erst 1995 – lange nach seinem Tod - rehabilitiert.


Der deutsche Jude Gerhart Riegner, der 1933 in die Schweiz floh, war einer der ersten, der die Weltgemeinschaft darüber informierte, dass die Nazis Pläne zur Vernichtung der Juden verfolgten.


Der grösste Teil der Bevölkerung war gegen die Nationalsozialisten. Die bedeutendste nazifreundliche Partei, die Nationale Front, zählte 1939 gerade 2'300 Mitglieder. 1940 wurde diese Partei verboten.


Trotzdem wurden die Flüchtlinge nicht mit offenen Armen empfangen: wegen der angespannten Wirtschaftslage waren viele Schweizer/-innen nicht erfreut über die Ankunft weiterer Arbeitskräfte.

Die Flüchtlingspolitik

Gemäss Haager Konvention mussten Soldaten aller Kriegsparteien, die – aus welchem Grund auch immer - in ein neutrales Land flohen, interniert werden. Sie hatten also keine Möglichkeit, sich frei zu bewegen. Diese Internierten wurden meistens als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft oder auf dem Bau eingesetzt und ersetzten so die Schweizer Männer, die an den Grenzen Aktivdienst leisteten. Insgesamt lebten während des Kriegs über 100'000 geflohene Soldaten in der Schweiz. Die erste Gruppe militärischer Flüchtlinge setzte sich aus französischen und polnischen Soldaten zusammen, die nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich im Juni 1940 in die Schweiz gekommen waren. Weitere Internierte waren geflohene Kriegsgefangene, Deserteure und Verletzte.


Nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland flohen bis zum Herbst 1933 rund 2000 Flüchtlinge (vorwiegend Juden und Intellektuelle) aus Deutschland in die Schweiz, Ende 1938 waren es bereits 10'000.


Insgesamt beherbergte die Schweiz über 180'000 zivile Flüchtlinge, wovon 55'018 erwachsene Zivilflüchtlinge, 59'785 Kinder in befristeten Erholungsaufenthalten und 66'549 so genannte Grenzflüchtlinge, die sich nur kurz in der Schweiz aufhielten, waren.


Genau zu der Zeit, als Deutschland mit der Deportation von Juden aus Frankreich begonnen hatte (im August 1942) kündigte die Schweiz an, sie werde die Grenzen schliessen. Dies löste im ganzen Land heftige Proteste aus, weshalb die Regierung ihren Entscheid etwas milderte (kranke Menschen, schwangere Frauen, ältere Menschen über 65 und Kinder durften nicht zurückgewiesen werden).

Die Situation der Arbeiter

In den 1920-er und 1930-er Jahren änderten die Gewerkschaften allmählich ihre Taktik: die Idee des Klassenkampfes wurde aufgegeben und durch die Zusammenarbeit mit den Bauern und der Mittelklasse ersetzt.


Ein wichtiger Meilenstein wurde 1937 erreicht, als Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein so genanntes Friedensabkommen unterzeichneten. Darin vereinbarten die Maschinen- und Metallindustrie mit vier Gewerkschaften, dass gegenseitige Forderungen ohne Einsatz von Kampfmaßnahmen ausgehandelt werden sollten.


Ein weiterer Fortschritt betraf auch die Kompensationszahlungen: im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg erhielten die Männer, die während des Zweiten Weltkriegs mobilisiert wurden, Lohnersatzzahlungen. Damit wurde die Grundlage für das heutige System der Sozialleistungen gelegt.

Die Wirtschaft im Zweiten Weltkrieg

Die Haager Konvention von 1907 erlaubt es neutralen Staaten, freien Handel mit den kriegführenden Parteien zu treiben – dazu gehört auch der Export von Waffen.


Deutschland war bereits vor dem Krieg einer der wichtigsten Handelpartner der Schweiz. In den Jahren 1939-1944 stiegen die Exportzahlen Richtung Deutschland markant an. Der Handel mit den Alliierten machte nur gerade einen Drittel des Handels mit Deutschland aus.


Von 1940-1942 gingen 45% aller Exportgüter an die beiden Achsenmächte (Deutschland und Italien). Den grössten Anteil machten dabei Maschinen, Erzeugnisse aus Eisen und Stahl, Werkzeug, Apparate, Fahrzeuge und chemische Produkte aus, also Güter, die zumindest teilweise für die Kriegsführung verwendet werden konnten.


Die Schweiz importierte jedoch auch Waren aus Deutschland. Dazu gehörten u.a. Kohle, Erdölerzeugnisse und Rohstoffe für die Fabriken sowie Nahrungsmittel – also auch alles Güter, welche Deutschland selbst gut hätte gebrauchen können.
Jede Kriegspartei war über den Handel der Schweiz mit der anderen Seite informiert und damit einverstanden.


Als 1944 die Kommunikation mit den Alliierten besser wurde – vor allem nachdem die ersten Amerikaner die Schweizer Grenze erreicht hatten - reduzierte die Schweiz den Handel mit Deutschland. Weiterhin erlaubte sie jedoch den Transport von nicht militärischen Gütern von Deutschland nach Italien durch die Schweiz und umgekehrt.


Als neutrales Finanzzentrum tätigte die Schweiz sowohl mit den Alliierten als auch mit den Achsenmächte Geschäfte. Beide Seiten verkauften z.B. Gold an die Schweiz.

Aus heutiger Sicht

Einigen Mitgliedern der Regierung und anderen einflussreichen Persönlichkeiten wird nachgesagt, sie seien mutlos gewesen oder hätten gar mit den Nazis sympathisiert.


Der Chef der Fremdenpolizei, Heinrich Rothmund, begrüsste 1938 etwa die Einführung des "J"-Stempels in den Pässen deutscher Juden, „damit man die Juden von den anderen Deutschen unterscheiden könne“. Rothmund vertrat die Ansicht, man müsse verhindern, dass die Schweiz mit Leuten überschwemmt würde, die sich der schweizerischen Lebensart nicht anpassen könnten. Gleichzeitig verurteilte er jedoch die Art und Weise, wie die Nazis ihre jüdische Bevölkerung behandelten.


Das Verhalten der offiziellen Schweiz während des Zweiten Weltkriegs hatte verschiedene Schattenseiten. Besonders kritisiert wird, dass die Schweiz vielen jüdischen Flüchtlingen die Einreise verweigerte. Ausserdem wird der Schweiz vorgeworfen, jüdisches Gold, das die Nazis gestohlen hatten, gekauft zu haben. Weiter wird dem Land vorgeworfen, Guthaben, die während des Kriegs in der Schweiz deponiert worden waren, nach dem Krieg nicht freiwillig an die Angehörigen der verstorbenen Anleger/-innen ausbezahlt zu haben. Weiter sieht sich die Schweiz mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe den Krieg verlängert, da sie Deutschland mit Kriegsmaterial beliefert habe.
All diese Vorwürfe wurden Ende des 20. Jahrhunderts von einer Kommission unter der Leitung des Historikers François Bergier untersucht. In ihrem 2002 veröffentlichten Bericht kommt die Bergier-Kommission zum Schluss, dass die Schweiz nicht nur vielen Tausend Juden die Einreise in die Schweiz verweigerte, sondern einige direkt an Deutschland auslieferte. Ausserdem bestätigt der Bericht den Vorwurf, dass Vermögen in der Höhe von mehreren Millionen Franken als nachrichtenlos erklärt wurde.
Dieser Bericht ist ein wichtiges Instrument für die differenzierte Auseinandersetzung der Schweiz mit der Kriegszeit. Vor der Diskussion um die nachrichtenlosen Vermögen hatte eine solche Auseinandersetzung nur sehr oberflächlich stattgefunden.

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