Auf zwei Latten ins Paradies.
Einleitung
40 Kilometer südlich von Sion (Wallis), zuhinterst im Val d’Hérens, liegt Arolla. Wer hier aufwächst, sieht vor allem Schnee und Berge. Dass Dédé Anzévui Bergführer wurde, erstaunt darum nicht. Und doch ist seine Beziehung zu den Bergen einiges spezieller als die von anderen.
Arolla
Das kleine Dorf Arolla im Val d'Hérens liegt am Fusse majestätischer Bergriesen und ist Ausgangspunkt für unterschiedliche Berg- und Skitouren.
Inspirator für Extrem-Skifahrer.
Cabane des Dix oberhalb von Arolla: Gletscher und 3000er soweit das Auge reicht.
Bergführer Dédé Anzévui steht auf der Terrasse. Hinter ihm thront majestätisch der Mont Blanc de Cheilon. Mit 3870 Metern höchster Gipfel der Region.
30 Jahre ist es her, als Dédé diese Nordwand befahren hat. Die steilste Passage 73°.
Seine Skis damals 207 Zentimeter lang. Kein Helm, kein Airbag. «Plötzlich rutschte ich auf einer Eisplatte. Es ging gerade runter. Instinktiv schlug ich meinen Pickel ins Eis. Beide Skis baumelten in der Luft.»
Das Gletscherblau in Dédés Augen leuchtet noch mehr, als er die Geschichte beim Aufstieg von Arolla zur Cabane des Dix erzählt. Es ist eine von zahlreichen verrückten Leistungen, die er vollbracht hat.
Pionier-Leistungen im Befahren von Steilwänden, die weltweit nur ganz wenige auf ähnlichem Niveau beherrschten.
Jetzt führt Dédé seine Gäste unaufgeregt durch das Gebirge rund um sein Heimatdorf.
Gelassen und zielstrebig geht es voran, mit dem sicheren Tritt einer Gämse, die jeden Stein am Berg kennt.
Seine Projekte inspirieren bis heute junge Extrem-Skifahrer.
Doch bei allem Stolz – Dédé weiss auch, dass er viel Glück beanspruchte in seinem Leben. Umso mehr geniesst er das Hier und Jetzt.
Auch mit 62 Jahren lässt es Dédé anständig krachen, sobald es bergab geht. Der Pulverschnee stiebt, ein Jauchzer der puren Freude und Lust widerhallt in den Felswänden.
Apéro um 11 Uhr?
Passend zu seiner Lebenslust kann es schon mal vorkommen, dass nach einer frühzeitig beendeten Skitour bereits um 11 Uhr ein Apéro auf dem Tisch steht. Eine etwas gar unchristliche Zeit? «Da muss ich mir keine Sorgen mehr machen», lacht Dédé. Als junger Bursche hatte er vom Vater – ebenfalls Bergführer – den Auftrag erhalten, einen belgischen Bischof auf den 3790 Meter hohen Pigne d’Arolla zu führen.
«Der Bischof war über 60 und schlecht zu Fuss. Wir kamen viel zu langsam voran», erinnert sich Dédé. Er habe hoffentlich einen guten Draht nach oben, erkundigte er sich beim Bischof. «Dazu brauche ich einen Mittelsmann», habe der Geistliche erwidert. «Und der bist jetzt du. Wenn du mich hier heil hoch und wieder hinunter bringst, dann hast du einen Platz im Paradies auf sicher und musst fortan weder zur Beichte noch in die Messe, so wahr mir Gott helfe», habe ihm der Bischof versichert. «Santé!»
Was gibt es Schöneres, als Gäste aus der ganzen Welt an der Erhabenheit der Bergwelt rund um Arolla teilhaben zu lassen.
Der Blick auf die imposanten Gletscherabbrüche. Der Abfahrtsrausch auf unberührten Tiefschneehängen. Dem Himmel ganz nahe, wenn man auf dem Gipfel steht. Willkommen im Paradies.
Lebenslauf - Dédé Anzévui (*1955).
1973: Diplom Bergführer-Anwärter.
1975: Diplom Skilehrer.
1978: Diplom Bergführer.
1985: Sicherheitschef Seilbahnen Schweiz.
1998: Eröffnung Off-Piste- und Freeride-Schule in Val Thorens (F).
2009: Eröffnung Freeride- & Skitouren-Firma Freeride-Experience.
Höhepunkte und Pionier-Leistungen
1974: Couloirs des Tza, Nordwand Petit Mont Collon und Nordwand Pigne d’Arolla – Erstbefahrung auf Skis.
1985: Dent Blanche Südwest-Flanke – Erstbefahrung auf Skis.
1987: Mont Blanc de Cheilon Nordwand – Erstbefahrung auf Skis.
1989: Matterhorn Nordwand – erste und bis heute einzige Befahrung auf Skis.