Familie Freestyle. Eine Geschichte des Freestyles im Engadin.

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Einleitung

Im Winter 2025 ist St. Moritz Gastgeber für die FIS Freestyle Weltmeisterschaft. Die vermeintlich junge Disziplin hat im Engadin eine lange Geschichte. Nick und Sabrina Nussbaum haben diese mitgeprägt. Heute schreibt ihr Sohn Nalu als Freestyle-Nachwuchstalent die Geschichte weiter.

St. Moritz

Das Engadin gilt als Wiege des Wintersports. Sonne, Schnee und Pisten ohne Ende – und für Freestyler ein Park mit Weltruf auf dem Corvatsch.

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Helikopter, Stunts und Leidenschaft.

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Das Leuchten in ihren Augen könnte die ganze Engadiner Bergwelt in dunkelster Nacht hell erstrahlen lassen. Wenn Nalu mit seinen Eltern Nick und Bina die Fotoalben von früher durchblättert, jagt eine Story die nächste. Von wilden Skiabfahrten für Filmteams, von waghalsigen Sprüngen, von purer Lebenslust. Wer Nick und Bina zuhört, dem wird bald klar: Sie haben ein besonderes Gen. Was sie in den 1980er-Jahren angerissen und gelebt haben, nennt sich heute Freestyle. Und ihr Sohn lebt ihre Passion heute weiter. Aber der Reihe nach.

Als Nick Anfang der 1980-Jahre mit knapp 20 ins Engadin kam, hatte er schon einige hundert Salti und «Helikopter» – eine Schraube um die eigene Achse – in den Beinen. Zuhause im Tessin war er und sein Bruder Mitgründer der «Sci Hot Dog Ticino»-Crew. Eine Gruppe junger, wilder Skifahrer, die gemeinsam Akrobatik auf Skis zelebrierten. Eigentlich wollte Nick nur für ein paar Jahre als Skilehrer im Engadin etwas Geld verdienen. Er ging nie mehr fort. «Es ist einfach das Paradies hier oben», sagt er strahlend. Die Berge boten den perfekten Spielplatz für Menschen mit so viel Bewegungsdrang wie Nick ihn hatte.

Wenn etwas cooles Neues auftauchte, haben wir es sogleich ausprobiert.
Nick Nussbaum

Auch Bina blieb zu dieser Zeit im Engadin hängen. Bewegungsmensch durch und durch, begnadete Skifahrerin und Windsurferin. Aber nicht nur. «Zu der Zeit kam Snowboarden auf, später Carvingskis – und wir waren immer die ersten, die Neues ausprobierten», erinnert sich Bina. Es blieb freilich nicht beim Ausprobieren. Die beiden waren so talentiert, dass sie bald zu den Besten in vielen Sportarten gehörten.

Zu der Zeit veränderte sich auch die Werbung für Sportmarken. Filmemacher und Designer wie Willy Bogner wurden auf Nick und Bina aufmerksam und boten sie für seine Filmaufnahmen auf. «Aufgrund unserer Grösse konnte man uns in alle Kleider stecken und wir beherrschten alle möglichen Sportgeräte. Da waren wir perfekte Models für actiongeladene Aufnahmen», erzählt Bina. Von halsbrecherischen Verfolgungsjagden auf Skis im Eiskanal, verspielten Ski-Choreografien zu zweit über Inferno-Rennen auf dem Snowboard für Bogner-Filme bis hin zu Pulverschneeabfahrten für Promotionen des Engadins – Nick und Bina machten überall eine hervorragende Figur.

Corvatsch, Engadin: Damals wie heute ein paradiesischer Spielplatz für Bewegungsfreudige.

Mit ihren Filmauftritten, mit ihrem virtuosen Spiel auf allen möglichen Wintersportgeräten, mit legendären Sprungsessions nach der Arbeit als Skilehrer haben Bina und Nick die Freestyle-Szene im Engadin als Pioniere mitgeprägt. «Freestyle heisst ja eigentlich, den eigenen Stil ausleben. Genau das haben wir damals gemacht», sinniert Bina. Ein bisschen wild sein gehörte sicher dazu – zumindest in den Augen von Aussenstehenden. Aus ihrer Sicht haben sie aber primär ihre Passion gelebt, Spass und Freude am Spiel mit Kreativität und Akrobatik nie aus den Augen verloren. Diese Lebensweise haben sie auch ihrem Sohn Nalu in die Wiege gelegt.

Es geht nicht darum, Bestzeit zu machen - sondern eine gute Zeit zu haben.
Bina Nussbaum

Höhenflüge und tiefer Fall.

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«Die Jungen heute machen ja eigentlich genau das gleiche wie wir damals – die Dimensionen sind einfach viel grösser.» Nick schaut zu seinem Sohn Nalu. Der 20-Jährige gilt als eines der Nachwuchstalente der Schweizer Freeski-Szene. Der Freestyle Park auf dem Corvatsch ist sein Spielzimmer. Der Park zählt für viele Freestyle-Profis zu den besten im Alpenraum. Jährlich trifft sich hier im Engadin die Weltspitze für Wettkämpfe und Trainings. Und 2025 kommt es zum grossen Showdown: Die FIS Freestyle Weltmeisterschaft gibt hier sein Stelldichein.

Freestyle heisst: Spass haben, sich selber sein. Du musst nichts, aber kannst alles.
Nalu Nussbaum

«Freeski Freak»

So beschreibt sich Nalu selber. Im Engadin und Tessin aufgewachsen hat er gerade die Swiss Olympic School in Tenero abgeschlossen. Er gilt als eines der Nachwuchstalente der Schweizer Freeskier. Freestyle ist seine Leidenschaft, dabei Spass zu haben, ist aber sein oberstes Gebot – egal ob auf Skis, Snowboard, Skatboard, Bike oder Surfboard.

MMS 2022 Winter ESTM Freestyle

Der grosse Fall

Alles lief prächtig für Nalu: Gute Resultate bei den Wettkämpfen, ein Platz im Swiss Ski Sichtungskader. Die Weichen für eine erfolgreiche Profi-Karriere schienen gestellt. Doch dann kam Corona – ein Winter ohne Wettkämpfe um sich zu empfehlen. Im Jahr darauf kamen die zuvor guten Resultate nicht mehr, Nalu hatte Mühe, die Motivation zu behalten. Dann ein noch härterer Dämpfer: Anfangs Winter danach verletzte sich der junge Freeskier, musste die Saison beenden, bevor sie richtig begonnen hatte. Und das im Vorfeld der WM vor der eigenen Haustür.

Aber Nalu, wäre nicht Nalu, wenn er ob dem neuerlichen Rückschlag den Kopf in den Sand gesteckt hätte. Die Enttäuschung über den verpassten Winter war zwar grösser, als die Schmerzen der Verletzung: Doch er raffte sich auf und schaffte es bald, der Situation gelassen ins Auge zu sehen. «Es hat schon geholfen, was mir meine Eltern mein ganzes Leben mit auf den Weg gegeben hatten: Gewisse Sachen kann man nicht steuern – aber etwas finden, was Spass macht, ist immer möglich.»

Sobald es die Ärzte erlaubten, stellte Nalu die Krücken weit weg und baute sein lädiertes Knie mit Mountainbiken auf. Natürlich zog es ihn auf den Berg. Also stand er schon bald wieder im Corvatsch Park. Nicht mit den Skis diesmal, sondern als Berater der noch jüngeren Freeskier. Bis zu 60 Kinder besuchen die Freestyle-Gruppen der Skiclubs im Engadin. Nalu ist ein grosses Vorbild, einer der ihren. Sie bei ihren Trainings anzutreiben und ihnen Tipps zu geben, bereitet Nalu fast so viel Freude, wie selbst zu springen. «Ich war mal genau gleich weit wie diese Kids. Und ich weiss, was sie alles erreichen können. Das ist schon sehr cool.».

2025: Freestyle kommt heim.

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An der FIS Freestyle Weltmeisterschaft in «seinem» Park der ganzen Welt zeigen, was er drauf hat. Das ist Nalus grosser Traum. «Es wird noch ein gehöriges Stück Arbeit bis dahin», gibt er zu bedenken. «Aber ich werde hart dafür arbeiten.» Auch seine Eltern freuen sich auf den Mega-Event. «Von so etwas haben wir immer geträumt», gibt Nick zu. Und jetzt dürfen wir den Freestyle-Interessierten der ganzen Welt unsere Heimat präsentieren. Mega!»

Hier im Engadin, wo Nick und Bina quasi zu den Pionieren des Freestyles im Tal gehörten. Hier wo ihr Sohn ihre Leidenschaft dieser freiheitsliebenden Disziplin weiterlebt und sich mit den weltbesten Freeskiern misst. Hier wo bereits die nächste Generation Freestyler heranwachsen und die Freude am Spiel mit Schwerkraft, Akrobatik und Stil zelebrieren. Hier hin kommt der ganze Freestyle-Zirkus zum Stelldichein. Freestyle kommt nach Hause, könnte man fast sagen. Guten Flug!

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